Radfahrerinnen und Radfahrer haben in Deutschland in den letzten zwei, drei Jahren mit sehr hellen Scheinwerfern aufgerüstet, die von einem Teil der Radfahrer auch am Tage einschaltet bleiben. in der Tendenz steigend sind auch die Helligkeiten der Scheinwerfer in Lux.
Auslöser ist dabei oft die sogenannte deutsche Angst, die zumindest hierzulande wir auch in anderen Bereichen keineswegs „proportional zur Intensität der Bedrohung“ ist.
Ich frage mich schon länger, gibt es eigentlich auch eine Helligkeitsobergrenze, bzw. Luxobergrenze?
Egal es wird mit Licht gefahren, egal ob auf einem Fuß – und Radweg, durch einen Park vorbei an Fußgängern, über einen Feldweg, durch eine Fußgängerzone, über den Bürgersteig, durch eine Spielstraße oder über einen Waldweg wie im Königsforst bei Köln. Zugegeben alte Beleuchtungen mit Dynamo waren oftmals unzureichend. Ich denke, da haben ein paar Radfahrer etwas missverstanden oder machen sich keine Gedanken. Jetzt haben wir das Gegenteil, zu viel grelles weißes LED Licht abseits der verkehrsreichen Hauptstraßen. Auf den vielen alternativen, ruhigen Routen mit nur wenig oder ohne Autoverkehr wird durch die Fahrweise mit raumgreifenden Licht am Tage der Straßenverkehr auch auf die ruhigen Routen hin verlagert. Eigentlich möchte man doch als Radfahrer eine „sanfte“ Fortbewegung auf ruhigen Wegen und keinen allgegenwärtigen Straßenverkehr (mit Lärm, Licht etc.).
Argument der Radfahrer – ich will gesehen werden, es ist notwendig, egal wo ich fahre , auch im Wald, bei mir bleibt das Licht an und es ist mir egal wie es auf entgegenkommende Fußgänger oder Radfahrer wirkt. Dabei ist die visuelle Wahrnehmung am Tage bei Menschen nicht auf Scheinwerferlicht abgestellt. Scheinwerferlicht am Tag wirkt auf die visuelle Wahrnehmung eher verwirrend, blendet vergleichsweise mehr als in der Nacht. Daher haben wir beim Fahren mit Scheinwerferlicht am Tage es lediglich mit einem subjektivem Sicherheitsgefühl und nicht mit einer realen Sicherheit zu tun. Besser wahrgenommen werden Radfahrer übrigens am Tag und bis in die Dämmerung an der kompletten Radfahrer Silhouette. Das menschliche Auge orientiert sich tagsüber grundsätzlich stärker an Objekten und weniger an Lichtquellen. Tagsüber verwischt ein Scheinwerferlicht in der Wahrnehmung ein Objekt stark, insbesondere in der Entfernungsabschätzung. Die Radfahrer Silhouette mit Spitzlichtern erscheint dem Betrachter nicht mehr eindeutig. In der Dunkelheit wiederum orientiert sich das menschliche Auge mehr an Lichtern anstatt an Objekten.
Radfahrer beklagen oft die mangelhafte Rücksichtnahme und Aufmerksamkeit durch die Autofahrer und fühlen sich bedrängt. Mag es geben, wird aber oft übertrieben und ist naiv, wie die Radler sind die Lieben und Autofahrer sind die Bösen. Mir ist das oft zu angstbesetzt und Angst ist bekanntlich nicht nur im Straßenverkehr ein schlechter Ratgeber. Viele PKW und LKW verfügen jetzt schon über gute Fußgänger – Radfahrererkennung, bei neuen PKW, LKW und Elektroautos mittlerweile fast immer Standard.
Die Hersteller von Scheinwerfern und Sicherheitstechnik sind natürlich Absatz orientiert und suggerieren dem Verbraucher Notwendigkeiten, wobei das Argument Sicherheit in Deutschland natürlich schnell zieht.
Wir Deutschen sind eben mehr so die Kontrollfreaks und kriegen so kleinere Unberechenbarkeiten nicht so gut überein und verfallen zu schnell in einen entsprechenden Modus. Zuletzt habe ich einen Bericht über Möglichkeiten und Nutzung von Sicherheitstechnik der Kinderüberwachung, wie mit Handy, Apps, Überwachungskameras in Kinderzimmern gelesen – ließt sich einfach erschreckend! Es soll laut Wissenschaftlern bei den Kindern eine Atmosphäre der Angst erzeugen.
Relativ häufig sehe ich Väter und Mütter mit ihren Fahrrädern und Anhängern in denen ihre kleinen Kinder sitzen und am Tag zwangsläufig in das rote Rücklicht vom Fahrrad starren müssen. Aber egal, Sicherheit muss sein. Für die rot angeleuchteten Kleinen im Anhänger ist das normal. Wehren können sich natürlich noch nicht. Die genannten Eltern leisten damit ihren Beitrag zur Reizüberflutung.
Immer mehr fallen mir auch sogenannte „einäugige“ Banditen auf, bei denen das wichtigere rote Rücklicht ausgefallen ist. Eine Fahrradbeleuchtung ist eher empfindlich und fällt bei starker Belastung bzw. vielen Betriebsstunden relativ schnell aus. Die Belastbarkeit versagt wenn das Licht dauerhaft eingeschaltet bleibt (ich fahre immer mit Licht!). Der grelle Frontscheinwerfer fällt dann Entgegenkommenden unangenehm auf. Er ist dann doppelt so hell als normal. Aber egal! Es heisst oft, ich brauche Sicherheit! Hilfe ich will gesehen werden, auch wenn kein Auto weit und breit fährt.
Ich würde mich freuen wenn den Lichtfreaks die Fußgänger und anderen Radfahrer mal nicht egal sind und sie einfach mal vernünftig den Schalter am Scheinwerfer betätigen und wohltuend ausschalten. Öfter als man meint ist es einfach nur überflüssig. Lichtverschmutzung stört bekanntlich nicht nur Migräne Patienten. Sich davon frei machen, nur mal runter kommen, Augen auf beim Fahren, gelassen bleiben und kein K(r)ampfradler sein! Ein Fahrrad ist in Bezug auf Beleuchtung und deren Notwendigkeit nicht mit einem Motorrad oder PKW vergleichbar.
P.S.: Die Unfallstatistik Radfahrer ist im letzten Jahr, trotz mehr Fahrradlicht gestiegen. Das wäre mal interessant, dies genauer zu untersuchen. Meine Hypothese: das subjektive Sicherheitsgefühl der Lichtradler verleitet zu mehr Risiko. Ich denke dabei z.B. an die Radfahrer die am Tag sowohl mit eingeschaltendem Licht als auch mit Kopfhörer unterwegs sind. Nun ist es leider so, wenn ich Vorurteile, wie “ ich fahre immer mit Licht, wegen der Sicherheit“ entlarve, erntet man schnell Aggressionen.